Methylenblau – der neue Stern oder Schnuppe?

Wie in der Mode gibt es auch im alternativen Heilungswesen laufend eine neue Sau, die durch das Dorf getrieben wird neue Produkte, die in den einschlägigen sozialen Medien und Shops gehypt werden. Nach DMSO, CDL, “alles liposomal”, Taurin, hochdosiertem Silber(wasser), selbstgemachten Kolloiden, Nattokinase, NAC und Lithiumorotat ist jetzt Methylenblau der heißeste Scheiß in den Kanälen der alternativlosen sozialen Medien. 

Selbst eingefleischte Bio-Freaks, die schon beim Anblick einer Kunststofffolie um ihre (nur wenn schrumpelig als echt empfundenen) Biogurke Bluthochdruck bekommen, hauen sich all diese synthetisch hergestellte Chemie hochdosiert rein. Und gehen damit dem Marketing genau so auf den Leim – halt den auf der anderen Seite der Medaille, also dem alternativlosen Leim – wie die pharmahörigen Mainstream-Anhänger. Nur dass der Heilsbringer in dem Fall nicht Lauterbach oder Drosten heißt, sondern halt Kalker, Cevat, Lessenich, Schiffmann, Nehls oder wie auch immer. Und statt sich für eine Bratwurst eine Spritze mit unbekanntem Inhalt von Ärzten auf einem Supermarktparkplatz verpassen zu lassen, hauen sie sich das Zeugs aufgrund einer bei Telegram von einem unbekannten Poster weitergeleiteten Empfehlung zu Hause selbst rein.

Also höchste Zeit, sich mal näher anzusehen, was Methylenblau ist und was es macht. Wobei schon der Hype um Methylenblau ein ziemlich sicheres Zeichen dafür sein dürfte, das dieser „heiße Scheiß“ nur „heißer Scheiß“ ist.

Wer hat es erfunden?

Aufgrund der industriellen Revolution und dem rasanten Ausbau der Textilindustrie konnte die Herstellung natürlicher Färbemittel auf pflanzlicher Basis die wachsende Nachfrage nach Farbstoffen nicht mehr decken. 1876 wurde Methylenblau von dem deutschen Chemiker Heinrich Caro bei BASF (Badische Anilin- & Soda-Fabrik) erstmals synthetisierte.

Was Methylenblau ist – und was nicht

Methylenblau ist ein Farbstoff, der vor allem als Laborchemikalie verwendet wird. Es wird synthetisch hergestellt und kommt in der Umwelt weder in Pflanzen noch in Tieren natürlich vor. Der menschliche Körper synthetisiert kein Methylenblau, das auch weder als Nahrungs- noch als Nahrungsergänzungs­mittel zugelassen ist. Und nein, das ist nicht der Böswilligkeit der Pharmaindustrie und auch keinem Komplott geschuldet, um uns krank zu halten – sondern ganz einfach, weil es das nicht ist.

Methylenblau = Methylthioniniumchlorid

Im Europäischen Arzneibuch ist Methylenblau (C16H18ClN3S) unter der Bezeichnung Methylthioniniumchlorid zu finden. Dort sind auch die zulässigen Maximalgehalte an Aluminium und Schwermetallen wie Blei, Cadmium, Chrom und Quecksilber zu finden. Bei vielen der angebotenen (und nicht pharmazeutisch hergestellten) Produkte ist davon auszugehen, dass diese darin enthalten sind.

Wofür wird Methylenblau verwendet?

Eine breite Verwendung findet Methylenblau als Farbstoff in der Mikroskopie: Durch Zugabe einer alkoholischen Methylenblau-Lösung erscheinen bestimmte Strukturen blau. Vor allem die Zellkerne werden stark angefärbt, das Zytoplasma dagegen nur leicht. Dadurch können unter anderem die Formen von Körperzellen und evtl. vorhandene Mikroorganismen unter dem Mikroskop beurteilt werden.

In der Aquaristik wird es als Desinfektionsmittel gegen krankmachende Bakterien, Pilze und Parasiten von teuren Zuchtfischen eingesetzt. Dabei scheinen die Fische viel vitaler und energiereicher zu sein und länger zu leben

Methylenblau – ein altes (und neues) Heilmittel?

Früher wurde Methylenblau als Malaria-Mittel eingesetzt – vermutlich ähnlich wie bei CDL wegen der Chlorverbindung. Heute wird es medizinisch u.a. als Schmerzmittel erforscht. Dazu wird Methylenblau zwischen die Wirbel direkt in die geschädigten Bandscheiben injiziert, was zu einer Zerstörung der Schmerzrezeptoren führt. Das löst nicht das Problem, lindert aber unter Umständen (zeitweise) die Schmerzen, da die Schmerzrezeptoren ja zerstört wurden. Mit weniger Schmerzen ist es vermutlich angenehmer – aber ob das gesund ist? Wenn der Schmerz nicht mehr wahrgenommen wird und man sich wieder (unvernünftig) bewegt …
… kann das zu weiteren Schäden an den Wirbeln führen.

Da Methylenblau die Blut-Hirnschranke überwindet und u.a. in Zellen und Mitochondrien des Gehirns durch deren Einfärbung nachweisbar war, galt es lange als vielversprechendes Alzheimer-Mittel und wird in alternativen Kreisen heute als “Gehirn-Doping” angepriesen. Beides hat sich in der Praxis – vielleicht vom Placebo-Effekt mal abgesehen – nicht bestätigt.

 Medizinisch sinnvoll ist der Einsatz von Methylenblau bei einer Methämoglobinämie . Diese kann durch eine Vergiftung mit aromatischen Nitroverbindungen, Nitriten, Nitraten oder Anilin ausgelöst werden. Dabei werden die Fe2+-Kationen des Hämoglobins zu Fe3+ oxidiert, so dass Methämoglobin entsteht. Das transportiert den Sauerstoff nicht mehr, da dreiwertiges Eisen diesen nicht binden kann. Mit steigendem Methämoglobinanteil im Blut nimmt die Sauerstoffversorgung im Gewebe ab und es kann zu einer inneren Erstickung kommen.

Bei einer solchen Vergiftung kann Methylenblau therapeutisch – also von jemanden, der sich damit auskennt – intravenös als Antidot verabreicht werden. Das beschleunigt die körpereigene enzymatische Reduktion von Methämoglobin wieder zu Hämoglobin.

In der Tiermedizin findet Methylenblau zusammen mit Malachitgrün als Mittel gegen die Weißpünktchenkrankheit bei Fischen Verwendung.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Abgesehen von Schäden durch möglichen Verunreinigungen mit Schwermetallen hemmt Methylenblau das für den Abbau von Serotonin zuständige Enzym Monoaminooxidase. Dadurch kann sich der Serotoninspiegel erhöhen und es zu einem lebensgefährlichen Serotoninsyndrom kommen. Besondere Vorsicht ist auch bei der gleichzeitigen Einnahme von MAO-Hemmern (Antidepressiva) und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) geboten, da diese durch Wiederaufnahmehemmung auch die Konzentration von Serotonin im Zentralnervensystem (ZNS) steigern.

Toxikologische Untersuchungen an Mäusen und Ratten haben gezeigt, dass die Tiere nach Methylenblau-Behandlung häufiger Tumore zeigen. In wie weit dies auf Menschen übertragbar ist, darüber streiten sich die Gelehrten. Sicher ist, dass es bei einer Nieren- oder Leberschwäche zu einer Anreicherung im Körper kommen kann. Was die möglichen  Nebenwirkungen, wie Bluthochdruck, Schwindel, geistige Verwirrung, Kopfschmerzen, Fieber, Hautverfärbungen, Nekrose (Absterben von Gewebe) an der Injektionsstelle, Übelkeit, Erbrechen, Blasenreizung, Anämie und Methämoglobinämie!  deutlich wahrscheinlicher macht.

Warnhinweis

In einem 2022 in Toxicology Research erschienenen Artikel heißt es: „Die toxische Wirkung von Methylenblau hängt von der Dosis ab und umfasst ernste Symptome, wie Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen), Methämoglobinämie, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen in der Brust, Bluthochdruck und Atemnot.“ Auch Hautirritationen und Entzündungsreaktionen könnten auftreten.

ACHTUNG: Methylenblau, das in entsprechender (niedriger) Dosierung bei einer Methämoglobinämie hilft, verursacht bei höheren Dosierungen genau dies. Weshalb die Behandlung (bei einer medizinischen Indikation) einem Fachmann obliegen sollte und die Eigenanwendung mit größter Vorsicht zu genießen ist – zumal je nach Situation Methylenblau wie oben ausgeführt mit Medikamenten wechselwirkt und sich im Körper anreichern kann. Weshalb auch der Gefahrenhinweis zu Methylenblau berechtigt ist.

Fazit

Ja, es gibt einen Kampf gegen natürliche Heilmittel – aber nicht alles was in der alternativen Szene gehypt wird ist natürlich und sinnvoll. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was er seinem Körper zumutet und ob er irgend welchen Hypes und Versprechungen einfach folgt, ohne die Zusammenhänge und Konsequenzen wirklich verstanden zu haben.

Wer mehr über die Zusammenhänge in unserem Körper, sowie die Bedeutung von den natürlichen Bausteinen des Lebens (wie Mineralien, Spurenelementen und Aminosäuren) im Gegensatz zu synthetisch hergestellten Stoffen erfahren möchte, dem empfehlen wir das Seminar “Bausteine des Lebens“.

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