Curitiba kennen vermutlich die wenigsten, höchstens eingefleischte Brasilien-Fans. Vor einigen Jahren war es noch eine typische Millionenstadt in einem Schwellenland: hohe Kriminalität, schlechte Infrastruktur, Korruption, Verkehrschaos und Umweltverschmutzung an allen Ecken.
Inzwischen wurde Curitiba völlig umgekrempelt und ist eine Muster-Metropole. Treibende Kraft dabei war der Bürgermeister Jaime Lerner. Von Hause aus Architekt und gewohnt, anzupacken. Sein Motto:
Da es bei unseren Großprojekten wie Flughafen Berlin, Stuttgart 21, Elbphilharmonie oder der Reform unseres Gesundheitswesens an allen Ecken und Enden klemmt, lohnt sich ein Blick, wie er das geschafft hat.
Die Prinzipien von Jaime Lerner
Sein nicht verhandelbarer Masterplan war: Curitiba so schnell wie möglich zu einer lebenswerten Stadt machen. Dazu sind die drei Bereich Mobilität, Nachhaltigkeit und soziale Vielfalt zu gewährleisten. Das gab die Struktur für alles weitere vor.
Für die Umsetzung des Masterplans mussten diese Ziele mit den Zielen jedes Einzelnen verbunden werden. Das erfolgte nicht wie bei uns mit irgend welchen umfangreichen Leitbildern auf Papier, sondern durch ganz konkrete Maßnahmen.
So wurde zum Beispiel mit den Fischern vereinbart, dass wenn sie Müll aus den Gewässern fischen, die Stadt ihnen dann die Flaschen, Dosen etc. abkauft. Je mehr Müll sie fischen, desto mehr Geld bekommen sie und um so sauberer werden die Gewässer. Je sauberer diese sind, desto mehr Fisch fangen sie. Eine Win-win-Situation!
Die bei großen Projekten lähmende Bürokratie und Korruption begegnete Jaime Lerner mit einem wahnwitzigen Tempo. Und strickt nach dem Motto, wer etwas ändern will, der muss Tatsachen schaffen. Damit wurden die notorischen Neinsager und Bremser völlig überfordert. So wurde in Curitiba zum Beispiel ein Opernhaus innerhalb von zwei Monaten gebaut und der Botanische Garten in drei Monaten. Die Fußgängerzone in der Innenstadt entstand in 72 Stunden!
Selbst mit unbegrenzten Finanzmitteln wäre dies eine Herkulesaufgabe gewesen. Die gab es aber gar nicht. Dafür machte Geldmangel kreativ und führte zu unorthodoxen Lösungen. Statt wie viele andere Städte viel Geld zu investieren, um große Überschwemmungsflächen einzudeichen und bebaubar zu machen, machte Jaime Lerner Parks daraus.
Aber auch die Parks müssen gepflegt werden, wofür die Stadt kein Geld hat. Weder um Traktoren anzuschaffen, noch die Rasenflächen mähen zu lassen. Die Curitiba-Lösung: „Städtische Schafe“. Die Herde hält das Gras kurz und aus dem Erlös vom Verkauf der Wolle werden mehrere Programme für Kinder finanziert.
Die einen sehen die Schwierigkeiten, die anderen nutzen die Chancen. Ein schönes Beispiel dafür, dass sich auch bei äußerst schlechten Voraussetzungen ein Weg findet, wenn man etwas verändern will. Sofern man dafür sorgt, dass es für alle Beteiligten ein Vorteil ist.
Curitiba ist heute die reichste und grünste Metropole. Keine andere Stadt Brasiliens hat so viele Parks, auf jeden Einwohner entfallen statistisch 50m² Grünfläche. Das öffentliche Verkehrsnetz ist effizient und gut ausgebaut, die Müllabfuhr funktioniert. Die Einwohner haben die höchste Lebenserwartung aller Großstädte in Brasilien. Dank des Engagements und der unkonventionellen Vorgehensweise von Jaime Lerner.
Wie viel das Engagement Einzelner bewirken kann zeigt auch der Beitrag “Herr der Bäume“. Und dass andere Wege oft ungeahnte Erfolge bringen der Artikel “Push-Pull – Köpfchen statt Gift“.